Wie relevant sind Erkenntnisse der Vergangenheit für die Probleme der Zukunft? Die Frage drängt sich auf, wenn man den Handelsblatt-Artikel (13.1.2023) zur Rolle der CEOs liest. Es scheint, als gäbe es zwei Gruppen. Die einen finden sich bei Milton Friedmans Behauptung der 1970er Jahre „The business of business is business“ wieder, während eine andere Gruppe versucht, „ihr Geschäftsmodell der neuen geoökonomischen Realität anzupassen“. Dies zeigt, dass sich unternehmerische Diskussionen zunehmend auf der normativen Ebene unserer Gesellschaft bewegen.
Es geht um nichts weniger als die Frage, wie künftig die Beziehung zwischen Wirtschaft und gesellschaftlichen Werten gestaltet wird. Noch verschanzen sich offenbar viele Unternehmen hinter ihren bisherigen Wertgerüsten. So hat jüngst eine Untersuchung der Universität St. Gallen festgestellt, dass sich trotz der allgemeinen Verurteilung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine weniger als 9 Prozent der westlichen Unternehmen aus Russland zurückgezogen haben. Was unternehmerisch legal ist, muss nicht zwangsläufig auch gesellschaftlich legitim sein. Gerade im Kontext der anstehenden Transformation wird das Zusammenspiel der Wertesysteme und ihre Weiterentwicklung durch Aushandlung noch sehr dramatisch! Auch für das unternehmerische Management ist eine „Zeitenwende“ angebrochen.
Während es künftig für alle Beteiligten um das große Ganze geht, stritt man sich bisher auf der operativen oder strategischen Ebene. Beispiele: So fordert jüngst die Deutsche Industrie- und Handelskammer mit einem 10-Punkte-Programm von der Bundesregierung grundlegende Reformen z.B. in puncto Bürokratieabbau. Nicht nur ihr gutes Recht, sondern auch ihre Pflicht als eine der Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft. Schließlich geht es um strategische Standortfaktoren Deutschlands. Und wenn die EU-Kommission dem wachsenden „Greenwashing“ den Kampf ansagt, dann greift sie mit Recht in den operativen Handlungsspielraum der Wirtschaft ein und betreibt aktiven Verbraucherschutz. Schließlich sollen Kunden nicht durch falsche Werbeargumente der Industrie in die Irre geführt werden. Bei beiden Beispielen sind die geforderten Eingriffe noch überschaubar und stellen nicht einen normativen Kodex oder gar evolutionäre Grundmuster zur Disposition.Die Frage stellt sich aber ab sofort, wie sich Unternehmen mit ihrem Managementsystem und „dem großen Ganzen“ zum wechselseitigen Vorteil verlinken.
Zukunftsfähigkeit wird sich künftig an differenzierten Diskursen entlang der operativen und strategischen, der normativen und evolutionären Ebenen der Entwicklung entscheiden. Es braucht eine neue kollaborative Kultur der antizipierten Anpassung von Unternehmen. Diese läutet das Ende einer Wirtschaftsform ein, die dem binären System von Sieg und Niederlage folgte. Künftig darf es nur noch „Gewinner“ geben – sonst droht die multiperspektivische Dauerkrise.