Wer ist Amelie Weber?

Als ich in der SZ über die amerikanische Futuristin Amy Webb las, fiel mir der fast 30 Jahre alte Zeit-Artikel „Die fremden Gurus“ (2.8.1996) wieder ein. Der Beitrag von Hans-Otto Eglau mit der Subhead „Warum die Vereinigten Staaten den Markt für Management-Innovationen beherrschen“ untersuchte, wieso eigentlich die großen, populären Management-Theorien immer aus den USA kommen, Deutschland dagegen nur andächtig lauscht und selbst keinerlei Ambitionen entwickelt. So wurde darin der japanische und in Düsseldorf beheimatete Unternehmensberater Minoru Tominaga mit den Worten zitiert, dass in Deutschland der Prophet im eigenen Land nicht viel gilt. 

Warum dieser Einstieg? Weil der lesenswerte Text über Amy Webb auch das Ergebnis eines Interviews mit einer erfahrenen deutschen Strategie- und Innovationsberaterin sein könnte. Nennen wir sie Amelie Weber. Kann sein, dass unsere Frau Dr. Weber keine Petunien im Garten hat, die nachts leuchten. Aber gewiss beherrschte sie die Entwicklung von Szenarien, die alternative und differenzierte Perspektiven der Progression für die Zukunft eines Unternehmens aufzeigen. Und sicherlich könnte sie auch berichten, dass sie dabei auf Top-Managements trifft, welchen „die Visionen“ oder „der Mut“ fehlen. Na ja, und die Erkenntnis: „Es fehle an Innovationen“ schmerzt zwar immer wieder, ist aber nicht wirklich neu. 

Was aber ist der Unterschied zwischen den fremden Gurus wie Amy Webb und den „Eigengewächsen“ wie unsere fiktive Amelie Weber? Zum einen sind mäandernde Biografien in den USA nichts Ungewöhnliches. Sie nähren durchaus das Selbstbewusstsein, über ein belastbares Out-of-the-Box-Thinking zu verfügen. Wir Deutschen misstrauen einer solchen Kompetenz, weil sie uns nicht angepasst genug erscheint. So werden Seiteneinsteiger in Deutschland trotz gegenteiliger Beteuerungen durchaus nicht mit offenen Armen empfangen. Zum anderen haben AmerikanerInnen grundsätzlich ein anderes Verständnis von Selbstvermarktung – sie sind einfach professioneller als wir! Bei uns macht sich jeder verdächtig, der seinen Kopf exponiert. Das ist in Unternehmen genauso wie im Wissenschaftsbetrieb – „Management by Champignons“!

Auch wenn wir gerade das Kant-Jahr feiern und gerne zitieren „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“, sieht die Wirklichkeit in Organisationen häufig doch anders aus. Selbstdenken im Sinne von Gegenargumenten ist nicht erwünscht. Hinzu kommt, dass wir Deutschen eine gewisse Theorie-Phobie haben und eher die Praktiker-Typen präferieren. Dabei sind Management-Modelle prinzipiell theoriebasiert und gerade deshalb praxistauglich. Je komplexer und chaotischer unsere Welt wird, je notwendiger und nützlicher sind Theorie-Modelle zum Verständnis und zur Beherrschung. Wir sollten dringend unsere Denkmodelle resetten, um Zukunft besser zu verstehen und zu gestalten.

Amelie Weber ist das ignorierte und negierte Potenzial unserer eigenen Profis!

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/amy-webb-zukunftsforscherin-1.6534678

Bildquelle: Eigenes Bild