Deutschland-Pakt? Fangt bei der Bildung an!

„Wir sind ein Hochlohnland ohne Rohstoffe und müssen in Bildung investieren, um mit Innovationen wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Diese Aussage von Philip Rosenthal habe ich in den 1980er Jahren, als ich beim Rat für Formgebung und Philip Rosenthal der damalige Präsident war, in viele seiner Reden und Presseinformationen eingebaut. Eine Erkenntnis, die nach wie vor aktuell ist. Philip Rosenthal (1916-2001) war ein Industrieller, der sich stark politisch engagierte. Sein Unternehmen befand sich in Selb und er wusste, dass dieses auf den regen Austausch mit kreativen Köpfen aus aller Welt angewiesen war. Er erkannte die hohe Bedeutung der Bildung für die Wirtschaft. Auch mir geht es um die Rolle der Bildung, und zwar in der Beziehung zwischen Wirtschaft und Staat.

Wenn unser Kanzler einen „Deutschland-Pakt“ vorschlägt, hat das nicht nur rhetorische Gründe. Es lässt sich nicht leugnen, dass viele Kräfte in Deutschland eher gegeneinander als miteinander arbeiten. Verhängnisvoll finde ich es in der Bildung, wo die Komplexität zwischenzeitlich so gestiegen ist, dass die systemischen Strukturen diese nicht mehr bewältigen können, siehe aktuelle Berichte OECD, Ifo und KMK. 

Mir ist völlig unverständlich, warum auf der einen Seite die Wirtschaft von „Humankapital“ spricht und auf der anderen Seite nicht erkennt, dass die Bildung der Menschen den roten Faden einer jeden volkswirtschaftlichen Wirtschöpfungskette bildet. Die Misere der Bildung fängt bei überlasteten Schulämtern an, geht über reformunwillige Landesministerien weiter und endet bei unbedarften BundespolitikerInnen, denen jede ganzheitliche Betrachtung fremd ist. Warum lassen wir alle das ungerührt zu? Die Wirtschaft ruft in Krisenzeiten (siehe Corona) schnell nach Staatshilfen und kriegt sie auch. Warum nimmt sie das Angebot des „Deutschland-Pakts“ nicht ernst, macht Druck und wirkt massiv darauf hin, das zerfaserte Bildungssystem neu zu organisieren und ineffiziente Steuerungsstrukturen neu aufzustellen? Und selbst wenn Änderungen im Grundgesetz erforderlich sind, um das Bildungssystem zu vernetzter Leistungsfähigkeit zu führen, dann sollte das stattfinden. 

Dabei geht es mir nicht in erster Linie um mehr Geld für Bildung, sondern um die Schaffung effektiverer Strukturen, in denen die Wirkung der monetären Zuwendungen erfasst und diskutiert wird, z.B. mit bundesweiten Monitorings. Wir haben einen Bundesrechnungshof. Warum gibt es beispielsweise keinen Bundesbildungshof, der die Verzahnung der Bildungsebenen und -teilsysteme im Blick hat und deren Effektivität moderiert? Wenn wir davon ausgehen, dass Lifelong Learning nicht nur die individuelle, sondern auch die gesellschaftliche Zukunft sichert, dann muss unser Bildungssystem so reformiert werden, dass es statt isolierter Fragmente ein zusammenhängendes, überzeugendes Bild ergibt. 

Brauchen wir wieder mehr Rosenthals in der Wirtschaft?

Bildquelle: Eigenes Bild