Schön, dass wir darüber geredet haben …

Die erste Phase war überwältigende Betroffenheit, die zweite Phase ungerichtete Wut und die dritte Phase ist jetzt schlichte Ratlosigkeit bis tiefe Frustration. Wie gehe ich damit um? Was wird das aus uns machen? Welche Schlussfolgerungen ziehe ich für mich? Und zwar als Mensch. Nicht als Wissenschaftler, nicht als Designer, nicht als Autor. Als Mensch einer Gemeinschaft, die sich der Enkelgerechtigkeit angeblich verschrieben hat, die über Nachhaltigkeit als Staatsziel debattiert und die eine Öko-Partei mit in der Regierung hat. Als Bürger einer Nation mit der drittgrößten Wirtschaft der Welt und mit den drittmeisten Urlaubern (nach USA und China) auf dem Globus – eine Exportnation mit Menschen, die die Welt kennen sollten. 

Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht wirklich akzeptieren, dass der Klimawandel real ist, die Transformation Geld kostet und wir systemisch-komplexe Alternativen entwickeln müssen. „Je höher die Wirtschaftsleistung pro Person, umso geringer ist die Bereitschaft, etwas zugunsten des Klimaschutzes abzugeben.“ Dieser Satz stammt aus dem Forschungsbericht „Global Climate Change Survey“ der Universität Bonn. Was ist los? Wollen wir demnächst alle jedes Jahr Weihnachten als der Geizhals Ebenezer Scrooge feiern? Wie, bitte, soll man als Regierung Klimapolitik machen, die so gut wie nichts kosten darf und ihrer Bevölkerung nichts abverlangt? Kein Wunder, dass viel zu wenig passiert! 

Im Gegenteil – man muss nur auf die Aussagen aus dem Project Climate Action Tracker (CAT) schauen: „In einzelnen Ländern wie der Türkei, Russland oder Argentinien passiert jedoch so wenig, dass mit einem Temperaturanstieg von potenziell mehr als vier Grad bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen wäre, wenn alle Staaten eine solche Klimapolitik betreiben würden.“ Ob die Herren Erdogan, Putin und Milei das wissen? Und was sagt ihr Volk eigentlich dazu? Die chinesische Bevölkerung würde wohl gerne gegensteuern, aber ihre Regierung scheint an dieser Stelle keinerlei Ambitionen zu haben. Klimaschutz geht anders!

Armin Falk, Leiter des Forschungsprojekts der Uni Bonn, sieht die Welt in einem Zustand der „pluralistischen Ignoranz“, weil nichts ernsthaft von der Weltgemeinschaft angepackt wird. „Man tut selbst nichts, weil man – fälschlicherweise – davon ausgeht, dass andere auch nichts tun wollen.“ Wissenschaftlich sicherlich höchst interessant, aber für den Klimaschutz eine Katastrophe. Erst recht, wenn im Grunde ohne weltweite Kooperation keine nachhaltigen Effekte erzeugt werden können. Werden wir tatsächlich eines Tages Klima-Flüchtlinge mit Waffengewalt an der Migration hindern? 

In solchen Momenten denke ich dann, ob ich die fleischgewordene Pointe eines alten Psychologen-Witzes bin: „Es hat sich nichts verändert. Aber schön, dass wir darüber geredet haben.“ Ist kognitive Dissonanz die neue Pandemie? Oder ist es für mich besser, innerlich zu emigrieren?

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wissen/klimawandel-umfrage-verzicht-climate-action-tracker-e627968/

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