Lehrinhalte: Büroklammern und die Kunst von Kontrolle und Chaos

Bei der Kunstbetrachtung und dem stillen Disput mit einem Werk fühle ich mich erst einmal überfordert und dann herausgefordert. Solche Inspirationen motivieren, mich über den Tellerrand hinaus zu bewegen. Kunst hilft beim Weiter-Denken! Diese erkenntnisleitenden Prozesse sind häufig ähnlich strukturiert – wie sieht eigentlich die Position aus, auf der ich mich aktuell bewege? Was charakterisiert sie? Wo zündet die intellektuelle Reibung? Und: Warum fühlt man sich persönlich „getriggert“?

So erging es mir einmal mehr in der Ausstellung „Surrealismus und Magie. Verzauberte Moderne“ (2022/23) im Museum Barberini in Potsdam. Wie bei einem solchen Thema nicht anders zu erwarten, waren es mehrere Bilder, die für „geistige Unruhe“ sorgten. Hervorheben möchte ich nur „Der zu Tode erschrockene Planet“ (The Bewildered Planet, 1942) von Max Ernst. Gemalt im Exil des Künstlers zu Zeiten des 2. Weltkrieges, wirkt dieser Titel heute hochaktuell. Der erläuternde Text spricht die Dualität von Chaos, Zerstörung und Ordnung, Harmonie an. Deren Gleichzeitigkeit trennt ein Totempfahl als Identitätssymbol für die Dramatik der Situation. Der Mensch ist gefordert, die Balance immer wieder herzustellen – zwischen Krieg und Frieden, zwischen Gut und Schlecht, aber nicht nur auf der Ebene von Beschreibung und Reflexion. Wie kann der Mensch handeln, um steuernd die Zukunft im Sinne einer lebenswerten Ordnung zu gestalten?

Hier ist der Ursprungsgedanke von Management und Leadership gefragt. Gerade künftige Zukunftsgestalter müssen wissen, wie sie sich eine Meta-Ebene erschließen, um abstrakte Ideen und Konzepte begreifbar zu machen. In unserem Buch „Designplanung“ (Ulrich Kern, Petra Kern. 2009), das wir heute übrigens eher als Design Teaching betiteln würden, ist eine Übung beschrieben, die mit dem Begriffspaar „Gestörte Ordnung – Kontrolliertes Chaos“ auf der Grundlage informationsästhetischer Kategorien arbeitet. Mit Büroklammern sind Bilder zu schaffen, die die Begriffe Ordnung und Chaos und in der Gegenüberstellung deren Gleichzeitigkeit visualisieren. Es geht um das (sich etwas) Vorstellen und das (anderen etwas) Darstellen, also um das abstrakte Denken und das konkrete Handeln als Zusammenspiel von Kopf und Hand. ZukunftsgestalterInnen oszillieren zwischen Extremen – sie stecken in chaotischen Zuständen und in kontrollierten Strukturen, sie operieren zwischen kanonisierter Gültigkeit und avantgardistischen Annahmen, sie handeln zwischen wissenschaftlicher Evidenz und künstlerischer Kreativität. Das Arbeiten im Hier und Jetzt und das Imaginieren im Dort und Dann erfordern Fähigkeiten der Reflexion und Antizipation.

Die Spezies der ZukunftsgestalterInnen braucht die intellektuelle Aufgeschlossenheit für jede Form der begrifflich-wissenschaftlichen Auseinandersetzung in Kombination mit kreativ-künstlerischer Gestaltwerdung – die Kunst des Managements von Zukunft.

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Bildquelle: Foto-CD Goodshot