Im Leben der anderen präsent

Erstaunlich, dass es immer noch Management-Mentalitäten gibt, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Einen „mittelmäßigen Ruf“ als DAX-Unternehmen zu haben, ist nach meinem Verständnis eigentlich eher peinlich. Ist doch die Formel „Leistung plus Anstand plus Kommunikation gleich guter Ruf“ im Grunde recht einfach. Sie ist zwar nicht neu, aber sie ist immer noch überzeugend. Dennoch gibt es offenbar ManagerInnen, die an die Weisheit aus Kaisers Zeiten glauben, nämlich „Ein gutes Produkt verkauft sich von allein!“ Es gibt unterkomplexe Vereinfachungen, die einfach nicht aussterben wollen. Wie dem auch sei, die Untersuchung des IMWF könnte manchen eines Besseren belehren.

Ob die in der Studie genannten drei A-Unternehmen auch tatsächlich „anständige“ Firmen sind, will ich hier nicht weiter hinterfragen. Was es aber zu akzeptieren gilt, ist, dass diese „56 Prozent ihres Börsenwertes ihrem guten Ruf verdanken“. Natürlich steckt dahinter Kalkül und Strategie – da sind ja auch keine Amateure am Werk. Es geht nicht darum, deren Konzepte zu kopieren, sondern von der Analyse der Erfolgsfaktoren und deren Wirkmächtigkeit zu lernen. Unternehmen sind keine Inseln, sondern Teil einer gesellschaftlichen Infrastruktur mit multilateralen Ansprüchen. Das gilt es zu akzeptieren und entsprechend zu agieren. 

Manchmal denke ich, dass manche ManagerInnen in ihrer Kindheit zu viel Monopoly gespielt haben, scheinen sie doch nur Accounting & Finance im Fokus zu haben. Auch wenn es richtig ist, dies im Auge zu behalten, spiegelt es nicht allein die Prämissen einer stabilen Wettbewerbsfähigkeit. Denn die hängt am respektvollen Umgang mit MitarbeiterInnen und KundInnen, dem vorausschauenden Handeln bei der Entwicklung von Prozessen und Produkten und dem verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und ihren natürlichen Ressourcen. Selbstverständlich sollten Wirtschaftsunternehmen schon aus wettbewerblichen Gründen nicht ihr Licht unter den Scheffel stellen. Gerade ihr guter Ruf liefert in der Kommunikation immer wieder Möglichkeiten substantiierter Argumente für den Dialog mit der Gesellschaft. 

Wenn von Leistung die Rede ist, geht es in erster Linie um die Beziehung Unternehmen zu seinem Produkt. Hier zeigt sich die Kreativität als eine der wesentlichen Vital-Funktionen seiner Existenz. Wenn von Anstand gesprochen wird, sind es die Innovationen, die das Unternehmen als sinnstiftend für Mensch und Umwelt auf den Markt bringt. Na ja, und Kommunikation ist als Dialog auf Augenhöhe mit Medien und Markt zu praktizieren. Im Grunde geht es um ein gelebtes Wertesystem einer Kultur, die sich in der Innen- und Außenwelt des Unternehmens realisiert. Ein gutes Image ist kein Selbstzweck. Aber wer die besten Mitarbeiter, die günstigsten Kredit-Konditionen und begeisterte Kunden haben will, muss im Leben der anderen positiv präsent sein.

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/dax-vertreter-haben-global-einen-mittelmaessigen-ruf-19075849.html

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