Professionelles Denken: Universal Design heißt gesellschaftsrelevantes Entwerfen

Das Marktforschungsunternehmen YouGov hat im Januar 2022 die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, die sich mit dem Thema Universal Design beschäftigt. Gegenstand der Befragung war, „wie deutsche Verbraucher dazu stehen, Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten“.

Interessant, dass man hierzu die aktuellen Einstellungen abfragt. Denn eigentlich kann man da nichts gegen haben. Offenbar scheint aber das Problem des gesellschaftsrelevanten Entwerfens wieder eine gewisse Bedeutung zu bekommen. Im Kontext der Nachhaltigkeit hat es das ja schon.

In der Designwissenschaft und der -praxis spielt Universal Design (leider) augenblicklich eher eine untergeordnete Rolle. Womit wir bei einem gesellschaftlichen Megatrend angelangt wären, der seinen Ausdruck in demografischen Veränderungen findet. Die Jungen werden weniger und die Alten leben länger – ein Phänomen, das längst in den Renten- und Sozialkassen angekommen ist. Der demografische Wandel bestimmt die Diskussion zur Arbeitswelt wie auch die der Freizeit und Konsumgesellschaft. So geht es nicht mehr nur um „Schonarbeitsplätze für ältere Arbeitnehmer“ und „Hotelflure mit Rollatortauglichkeit“ oder „große Handytasten für arthritische Finger“ – es geht um die fakultative Verlängerung der Arbeitszeit, um sozial und kulturell anspruchsvolle Urlaubsreisen und um Produkte, die Probleme lösen statt verursachen.

Wenn man genau hinschaut, handelt es sich um die Einlösung des Versprechens der Moderne nach sinnstiftendem Nutzen im (Er)Leben. So steht die (Er)Lösung praktischer Probleme im Vordergrund mit symbolischer Relevanz. Die Welt der Artefakte und Dienstleistungen, der Prozesse und Systeme sollte eigentlich alle Menschen gleich „behandeln“ – macht sie aber nicht. Und kann sie auch nicht, denn viel zu häufig sind diese bestenfalls suboptimal konzipiert.

Die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik ist „mit der heißen Nadel genäht“, die Produktform ist peinlich kitschig oder provozierend extravagant. Oft ist das Angebot im Supermarkt die pure Inflation der Superzeichen-Marken und überfordert, ja stresst den berufstätigen Single genauso wie die Rentnerin auf der Suche nach einer Zahnbürste. Es ist ja auch nicht das einzelne Objekt, das zur ärgerlichen Belastung führt – es ist die Kumulation all der Situationen einer Interaktivität mit problematischen Störungen, die bis zur Verweigerung des Erwerbs oder der Benutzung führen können.

Wir leben in einer, von uns selbst gestalteten Welt, die sich durch eine ständig wachsende Komplexität und damit (auch nur „gefühlte“) Zunahme der Kompliziertheit des artefiziellen Alltags auszeichnet.

Link: https://yougov.de/news/2022/01/18/universal-design-ein-design-konzept-fur-alle/

Bildquelle: PhotoAlto (James Hardy)