Bitte konzise, nicht konfus!

Ja, ich würde mich auch zu den Kritikern des Wissenschaftsbetriebs in Deutschland zählen. Wenn man drei Hochschulen ausgiebig von Innen kennengelernt hat, weiß man um die Stärken und die Schwächen des Systems. Aber auch von außen ist erkennbar, dass etwas nicht stimmt. Dass man mit einem Plagiat eine Promotion erfolgreich abschließen kann, lässt tief blicken. Andererseits muss die Wendung vom Volk der „Dichter und Denker“ ja auch ihren Grund haben. Aber die geistesgeschichtlichen Verdienste vergangener Zeiten sind historisch situiert. Und solche außerordentlichen Leistungen müssen immer wieder neu erarbeitet werden.

Die Fundamentalkritik an der Wissenschaft, die in dem FAZ-Artikel geäußert wird, halte ich allerdings für überzogen und undifferenziert. Hier wird nach meinem Verständnis gezieltes „Faultpicking“ betrieben. Die Bundesrepublik Deutschland, arm an fossilen Rohstoffen, aber reich an kreativen Ressourcen, hat gar keine andere Chance, als auf Innovationen zu setzen, und die brauchen die Forschung als Voraussetzung und eine entsprechend starke Bildungspolitik. Noch dazu steht unsere Republik derzeit vor einer Vielzahl komplexer Probleme und ist andererseits unterbelichtet in puncto politischer Vorausschau. Wären die Weichen frühzeitiger für den Umbau zu einer resilienteren und zukunftsfähigeren Gesellschaft gestellt worden, was möglich gewesen wäre, würden wir uns nicht mit solchen weltpolitischen Marginalien wie der (Nicht-)Subventionierung von Agrar-Dieseln befassen müssen.

Ja, liebe FAZ, dieser Angriff auf die Wissenschaft war tatsächlich eine „Kritik ohne Vernunft“, weil sie eine dezidierte Argumentation vermissen lässt. Natürlich kann man mit dem System Wissenschaft genauso unzufrieden sein wie mit der öffentlichen Verwaltung oder auch der privaten Wirtschaft (siehe SZ „Deutschlands Manager, das heimliche Standortproblem“ vom 15.12.2023). Aber dann muss das auch argumentativ mit Substanz formuliert sein – ohne Populismus! Schließlich ist doch das Thema Bildungspolitik wichtiger denn je und sollte nicht fahrlässig zerredet werden.

Seit den 1960er Jahren diskutieren wir immer wieder das Phänomen Wissensgesellschaft und als seine Folge die Verwissenschaftlichung der Arbeitswelt, deren aktueller Brennpunkt die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) darstellt. Aber auch die Bewältigung der Folgen des Klimawandels werden sich nicht künstlerisch oder handwerklich, gar kraftmeierisch, sondern nur wissenschaftlich und mit intensiver Forschung lösen lassen. Allerdings Hand in Hand mit der Politik, was die Komplexität von Wissenschaft noch weiter in die Höhe treibt. Wie notwendig das aber auch aus gesellschaftlicher Sicht ist, zeigt das aktuelle Wissenschaftsbarometer (siehe Spiegel 13.12.2023 „Das Vertrauen in die Wissenschaft schwindet“). Konstruktive Kritik ist immer willkommen! Aber bitte konzise, nicht konfus. 

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/kommentar-zur-lage-der-universitaeten-kritik-ohne-vernunft-19388083.html

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