Designwirtschaft – Umsatzriese durch Spillover

Gibt es Akteure in unserer Wirtschaft, die sich für den Umsatz anderer ins Zeug legen, ohne selbst den Ruhm zu kassieren? Undenkbar? Weit gefehlt, denn die Designwirtschaft ist ein solcher Fall. Konkret geht es um die sogenannten Spillover-Effekte dieser Branche. Zu verstehen sind darunter Synergien, die in Form von Wachstum, Beschäftigung und Innovation von einer Branche in andere Wirtschaftssegmente „überschwappen“. Hochrechnungen zufolge (Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft 2018: 16) summieren sich die indirekten Spillover-Effekte der Designleistungen auf mehr als den doppelten Umsatz der eigentlichen Designwirtschaft. Sie machen in der Gesamtwirtschaft rund 42 Milliarden jährlich aus. Wow! Ich staunte nicht schlecht, als ich während der Arbeit an meiner Dissertation zum Thema Employability (Kern 2020) auf diese Aussagen stieß. Design ist damit ein enormer gesamtwirtschaftlicher Impulsgeber – wenn auch hinter den Kulissen.

Wie geht das? Wie kommt eine solche Größenordnung zustande? Ein konkretes Beispiel ist der Aufkauf von Designagenturen durch Beratungsunternehmen. Designleistungen ergänzen damit den Umsatz und die Wertschöpfung von Beratern, ob als materiell-gestalterische oder als immateriell-kreative Problemlösungskompetenz. Allerdings taucht die so erzielte Wertschöpfung nicht in den Büchern der Designwirtschaft auf, sondern firmiert als Erfolgsgröße anderer Branchen.

Hier wird das Potenzial für neue Geschäftsfelder deutlich, die DesignerInnen selbst erschließen könnten. Voraussetzung ist die Erweiterung des klassischen Portfolios von DesignerInnen durch Aufbau strategischen Problemlösungswissen und komplexer Prozesskompetenz. Designleistungen über die übliche materielle Konnotation hinaus zu denken und zu entwickeln, lohnt sich. Zumal die Arbeitsverhältnisse der Kreativbranche nicht gerade rosig sind. Häufige atypische Arbeit und prekäres Einkommen der vielen akademisch qualifizierten DesignerInnen sind eher Regel als Ausnahme. Die Branche gilt zwar als innovationsstark, aber auch als verwertungsschwach. Die Ernte der Vielfaltsproduktion fahren offenbar andere ein. Erwächst daraus nicht ein klarer Auftrag für Hochschulen, die Designstudiengänge anbieten? Nämlich über das traditionelle Angebot hinauszudenken und die klassischen Studieninhalte zu erweitern. In dem Sinne, dass strategische Kompetenzen, Komplexitätswissen und wirtschaftliches Knowhow selbstverständlicher Teil des Curriculums werden. Zumindest müsste die traditionelle Designausbildung um einen Studienzweig abstrakt-modellierender Kreativkompetenz ergänzt werden. So könnten Hochschulen zu einer polyvalenten Problemlösungskompetenz beitragen und vielen Kreativen eine multioptionale Laufbahn eröffnen. Und vielleicht wird dann die Designwirtschaft mehr als die verlängerte Werkbank für andere Branchen. Und sie zeigt, was in ihr steckt: eine Wachstumsbranche mit enormem Zukunftspotenzial.

Bildquelle: PhotoDisc