Podcast: Der Kreis des Denkens kennt keinen Anfang und kein Ende

Trotz Gegenwehr wurde ich 2020 in den Club der Unruheständler aufgenommen. Inzwischen habe ich mich damit abgefunden und bin sogar meine Schere im Kopf los geworden. Hat mich diese doch beim Denken immer ein wenig beschnitten. Widerworte – so meine Erfahrung – werden nie gerne gehört, auch wenn die Welt voller Krisen, Gegensätze, Konfrontationen und Kriegen ist. Wir, die Gesellschaft, versuchen diesem Chaos zu entrinnen, indem wir in Blasen leben, die dermaßen geregelte Strukturen haben, dass sie von der angestrebten Harmonie schon fast zur Langeweile tendieren. Dabei heißt doch in unserer Medien- und Kommunikationsgesellschaft das elfte Gebot: „Du sollst nicht langweilen!“ (Billy Wilder).

Wenn mich also der Designerklärer Christoph Luchs zu einem seiner Podcasts einlädt, dann gilt es vor allem, nicht zu langweilen. Und natürlich gilt es den eigenen Anspruch als Designwissenschaftler zu vertreten. Weniger der biographische „Helden-Friedhof“ aus professioneller Vergangenheit, sondern gerade die Zukunft des Designs sollte im Fokus stehen. Es war mir eine besondere Ehre, hierzu interviewt zu werden.

Ich erinnere, dass ich als Kind immer einen Lieferwagen vor dem Gemüseladen mit der Aufschrift sah: „Esst mehr Obst“. Heute, als Oldie, wünschte ich mir, wenn an den Toren zum Wertstoffhof in großen Lettern „Denkt mehr nach!“ stehen würde. Wird dort doch viel Zeug entsorgt, das irgendwann mal durch die Hände und zuvor durch den Kopf von DesignerInnen gegangen ist. Und dann frage ich mich, sind wir DesignerInnen Teil des Problems oder Teil der Lösung? Allein schon, dass es ein Sowohl-als-auch gibt, sollte uns zu denken geben und uns zum Handeln bewegen, auch wenn die Frage letztlich von der Geschichte beantwortet wird. Immerhin leben wir in einer Zeit, die vielleicht eines Tages als die große Transformation gilt. Es wird zu Umbruchprozesse kommen, die nur mit großer Gestaltungskraft und -willen bewältigt werden können. Als Designer denkt man unwillkürlich ans große Aufräumen – den Ordnungsgrad erhöhen und die Komplexität verringern. Allerdings beschleicht mich beim Design der Eindruck, dass die Verantwortung für Sinnstiftung ins Hintertreffen gekommen ist. Ein Indikator ist für mich die fehlende Kontroverse, der mangelnde Disput in der Domäne. Small Talk statt Grand Challenges? 

Was hat das mit mir zu tun? Zum einen bin ich Teil der Zivilgesellschaft, die diesen Strukturwandel zu leisten hat. Und zum anderen bin ich Designwissenschaftler und halte Kreativität für die Kernkompetenz der DesignerInnen. Und diese wird mehr denn je gefordert sein, wenn es darum geht, Probleme hoher systemischer Komplexität zu lösen. Wenn man dann noch – so wie ich –Design als imaginierende und inspirierende Komponente eines Complex Problem Solving-Prozesses versteht, dann schließt sich der Kreis zu mir. So wie das Denken, das keinen Anfang und kein Ende kennt. 

Link: https://www.designerklaerer.de/folge-9-designmanagement-prof-dr-ulrich-kern/

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Bildquelle: Eigenes Bild