Zeit zum Wechsel

Was haben Kirche und Kapitalismus gemeinsam? Beide „Religionen“ haben ihre Gläubigen (auch Schäfchen genannt), ihre Atheisten und auch ihre Agnostiker. Und eine der Gemeinsamkeiten ist das Markenkonstrukt. Nicht zufällig sprach man in den USA von der „Church of Macintosh“, als Apple mit Steve Jobs seine kometenhafte Zeit hatte. Und der fette Klingelbeutel ist beredsames Zeugnis der Beziehung zwischen Gläubigen und Unternehmen. Ich selbst würde mich eher den Agnostikern zurechnen – in jeder Hinsicht. Der Grund liegt in meinem Misstrauen gegenüber Menschen, die immer schnell eine Antwort haben und die wissen, wie und wo es lang geht. Wir mögen uns nicht, weil meine Zweifel und meine fehlende Hurra-Mentalität nerven. Natürlich will das jeweilige System nicht infrage gestellt werden und man möchte gerne die Tagesordnung zügig abhaken. Nun haben sich aber die Zeiten dramatisch geändert und die üblichen Routinen lösen immer weniger Probleme – inzwischen schaffen sie sogar zusätzliche Herausforderungen. Zeit zum Wechsel!

Vom Unternehmen zum Unterlassen: Meine beiden Lieblingsbeispiele für Pseudo-Unternehmergeist sind die Wand mit den Tütensuppen und -soßen im Supermarkt und die Modellvielfalt von Automobilherstellern. Die Tütenwand mit der gefühlt unendlichen Zahl an Instantprodukten „bewundere“ ich angesichts des Einfallsreichtums der Menschen im Marketing. Allerdings frage ich mich, ob die Damen und Herren sich davon auch selbst ernähren? Ebenso völlig ausgeufert und selbst für Eingeweihte kaum mehr zu überschauen ist die Modellpallette und der Variantenreichtum der Autos. Hier wird keine, auch noch so kleine Nische im Markt verschont. Zukünftig kann man den Marken eigentlich nur empfehlen, ihren Wahnsinn der Ausweitung im Sinne der Komplexitätsreduktion kritisch zu reflektieren und im Zweifelsfall mehr zu unterlassen als zu unternehmen.

Vom Rezept zur Avantgarde: In vielen der etablierten Unternehmen findet Kreativität nach Vorschrift statt und Innovationen werden nach Rezept „gebacken“. Gerade die klassische Berater-Szene propagiert ihre bewährten Tools und Konzepte, die in der Breite ihren Nutzen haben. Dennoch müssten die Unternehmen in Zukunft mehr als bisher ihre individuellen Kompetenzen und Kapazitäten zu Spitzenleistungen entwickeln. Was allerdings ein Bekenntnis des Top-Managements voraussetzt, diese Strategie explizit als Anspruch an die eigene Unternehmensentwicklung zu formulieren und zu entwickeln. Im Zuge der Transformation von Wirtschaft wird es darauf ankommen, dass sich das Management das klare Ziel setzt, sein Unternehmen insgesamt zu den Vorreitern und damit zur Avantgarde in dem jeweiligen Wettbewerbsumfeld zu pushen. Leadership in Nachhaltigkeit, CSR, faire Produktion sind nur einige Optionen, um der eigenen Marke wieder eine substantiierte Identität zu geben, die tatsächlich zum Wettbewerbsfaktor und damit zur neuen Erfolgsgeschichte werden kann.

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