Die Kraft der Frage und die Kreativität von Fortschritt

Die Geißel der Menschheit ist die Frage! Findet man eine Antwort, wachsen sofort zwei weitere Fragen nach. Und aus der erwarteten Ruhe wird nix! (Ich hoffe, Sie haben das Augenzwinkern bemerkt.) Irgendwie steckt doch hinter jeder Frage ein Problem, dessen „fieser“ Charakter erst im Versuch der Antwort zum Vorschein kommt. Das alles erinnert an die Hydra aus der griechischen Mythologie – schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen sofort zwei nach. Daraus entwickelt sich eine Auseinandersetzung, die die Begrifflichkeit des Siegens nicht kennt, dennoch Gewinner schafft. Hat doch unsere Hydra das Gen der intellektuellen Vermehrung. Schöngeistiges Geschwurbel? Na gut, dann beantworten wir unseren Kindern und Enkeln doch die Frage: „Was machen wir anschließend mit dem Atom-Müll?“ Okay, war rhetorisch gemeint, um Spannung in das Zwiegespräch zu bringen. 

Nehmen wir die Frage „Was ist Kreativität?“ Eine gute Antwort findet sich in der Rezension der SZ über das Buch des amerikanischen Musikproduzenten Nick Rubin. Für ihn ist Kreativität „eine Haltung der Welt gegenüber“, um dabei etwas zu erschaffen, das bis dato nicht existierte. Der Kreative ist wie ein Kind, das die Welt für seine Eltern hält und das immer wieder die Frage nach dem „Warum?“ stellt. Auch wenn die Eltern geliebt werden, wollen sich kreative Menschen von ihnen abgrenzen und ihr „eigenes Ding“ machen. Daraus entsteht Neues und wie in einer Familie führt dieser Ehrgeiz auch zu Konflikten. Wird doch die Welt als etwas Unfertiges, Vorläufiges und auch Verbesserungswürdiges angesehen, ohne dass diese Beziehung existenziell infrage gestellt wird. Dieses Neue ist immer das Ergebnis einer Frage, die keine Antwort hatte, weil sie noch nicht gestellt wurde. Kreative sind Wissenschaftler und Anarchisten in einer Person, die aus diesen Energien eine Emulsion der Fähigkeiten und des Fortschritts macht. 

Eine der selten thematisierten Fähigkeiten von Kreativen ist die Kraft des aktiven Zuhörens. Schön, dass im SZ-Beitrag darauf verwiesen wird. Im Grunde ist es selbstverständliche Voraussetzung für das Finden von Lösungen für evidente Probleme. Die Intensität des Zuhörens (und der Wahrnehmung) ist vergleichbar mit einem Konzert. Während beim Musikgenuss sehr stark die Gefühle berührt, gar aufgewühlt sind, werden im Gespräch die Membranen des Kreativen angeschlagen. Dadurch wird impulsartig das assoziative Denken angeregt, das den sich entwickelnden Dialog zu einem produktiven Diskurs werden lässt und dabei wechselseitige Inspiration schafft. Übertragen in die Welt der Wirtschaft, ist es Aufgabe des Top-Managements als Membran zu wirken und für ein inspirierendes Klima unternehmerischer Veränderung durch Verbesserung zu sorgen. Innovationen sind kein Selbstzweck, sondern Medium gesellschaftlicher Transformation. Innovationen legitimieren die Existenz des Unternehmens.

Link: https://www.sueddeutsche.de/kultur/rick-rubin-kreativitaet-1.5744384

Bildquelle: DigitalVision