Raus aus dem Käfig, rein in die Transformation

Die Frage kam etwas überraschend, aber doch zu recht: „Wie wollen Sie in Zukunft arbeiten?“ Es war Anfang der 1990er Jahre, als ich Projektleiter des Erweiterungsbaus meines damaligen Arbeitgebers war. Für die Planung wurde Foster + Partners als Architekten beauftragt und der Bauherr war die Agiplan AG, ein im Ruhrgebiet ansässiger Industrieplaner und Unternehmensberater. So selbstverständlich und berechtigt eine solche Frage in diesem Kontext ist, so unbequem und auch knifflig ist deren Beantwortung. Und natürlich musste diese Diskussion darüber erst in Gang gebracht werden. Was auch gelang und am Ende hatte die Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft viele positive Effekte, die weit über die architektonische Problematik hinaus ging.

Wenn ich heute Design-Politiker wäre, würde ich eine solche Fragestellung in Anbetracht der globalen Multi-Krise etwas anders stellen. Nämlich „Wie werden wir in Zukunft noch leben können?“ Die Formulierung rekurriert auf eine Situation, die EntscheidungsträgerInnen in Wirtschaft und Wissenschaft, in Politik und Administration vor sich hertreibt und ihnen immer weniger Zeit für eine angemessene Planung lässt. Es gab eine Phase in unserer Wohlstandsgesellschaft, da hatte man noch das Gefühl, wir wären in einem Wunschkonzert und könnten für uns jede Art von Zukunft bestellen. Dieser naive Fortschrittsglaube hat sich als Irrtum erwiesen. Wir wurden eines Besseren belehrt. Erschwerend kommt für PlanerInnen und GestalterInnen hinzu, dass die Anforderungen an sie stark gestiegen sind – sehr viel mehr Zukunftswissen mit höheren Ansprüchen an die Vernetzungskompetenzen. Das gilt selbstredend auch für die Protagonisten im Design. Ich denke, man könnte von einer weiteren Professionalisierungsstufe sprechen. Nicht mehr die Imagination für den Entwurf und die Idee für die Entwicklung von Artefakten ist alleiniger Solist im Design-Business, sondern die voraussetzungsvolle und folgenreiche Komposition, die mit vielen Einschränkungen und No-Go´s versehen ist. Der komplexe Wohlstand in unserer Hemisphäre wird radikalere Formen der Innovation fordern – nicht eine weitere Variation von Küchenstühlen, sondern das neue System der globalen Ernährung wird die Kreativen dieser Welt herausfordern.

Design muss sich aus dem goldenen, aber engen Käfig der Wirtschaft befreien! Es muss sich aus seinem reinen Dienstleistungsverständnis lösen und es könnte ein produktiver Anarchist in einer Gesellschaft werden, die sich in der Transformation befindet und auf freche Impulse dringend angewiesen ist. Die Richtungskompetenz der Wirtschaft fürs Design braucht dringend eine Auffrischung durch eine Kreativität, die wieder infrage stellt und mit eigenen genuinen Konzepten glänzt. Ob das eine „World Design Capital“ Frankfurt leisten kann? Wenn nicht, wäre es eine vertane Chance …

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/hat-frankfurt-das-zeug-zum-world-design-capital-19045382.html

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