Nur noch Elfenbein-Türme?

Ein Riss teilt die Wahrnehmung! Selbst in meiner Familie reichen die Reaktionen von „Boah, wie geil?!“ bis hin zum verständnislosen Kopfschütteln. Aber: In einem Punkt sind sich beide Lager einig, die Designstudie der Marke Cupra schafft eine hohe Aufmerksamkeit. Das Design provoziert als Fiktion, polarisiert Fortschrittsdenken und polemisiert die Funktion von Auto als Mittel der Mobilität. Form als Protest gegen Konsumkrise und Kulturkritik?

Im November 2023 werde ich in Dornbirn zum Thema „Marken und Moral – Verantwortung Konsum“ sprechen. Ich denke, dass Moral immer an Menschen geknüpft ist, die Verantwortung als Produzenten und als Konsumenten tragen. Die Marke selbst ist ein Konstrukt und ohne Rezeption quasi nicht existent. Kunden verleihen einer Marke Bedeutung und Erfolg, indem sie das Produkt kaufen und im Gebrauch Dritten gegenüber bestätigen. Markenprodukte sind durch den Produzenten mit diversen Eigenschaften ausgestattet, die sie zu einer „Persönlichkeit“ mit eigenem „Charakter“ machen. Diese Wesensmerkmale beeinflussen auch das Verhalten seiner Benutzer. Der Spruch von den „Autos mit der eingebauten Vorfahrt“ kommt nicht von ungefähr. Prägt die technische Potenzialität der Features die menschliche Optionalität des Verhaltens? Ich denke ja! Es gibt eine mittelbare und unmittelbare moralische Verantwortung bei Produzenten und Rezipienten.

Beeindruckend finde ich bei der Designstudie „Dark Rebel“, dass es offenbar noch immer unglaublich viele Liebhaber einer solchen expressiven Gestaltung und aggressiven Anmutung gibt. Auch erstaunt mich, dass das Management der Autoindustrie noch immer dieses Mindset des „All is possible“ praktiziert. Und selbst im FAZ-Bericht finde ich nur Applaus und kein Hinterfragen. Insgesamt scheint alles völlig losgelöst von Realitäten stattzufinden. Wäre diese Designstudie vor einigen Dekaden entstanden, hätte ich noch professionelles Verständnis aufgebracht. Heute empfinde ich dieses Bleifuß-Design als aus der Zeit gefallen. Dennoch ist es Realität und das sehe ich als Wissenschaftler skeptisch!

Scheint doch das Verständnis über das Design, was die Welt in Zukunft braucht, offenbar rudimentär, heterogen und „zersiedelt“ zu sein. Kann es sein, dass der Elfenbeinturm-Eskapismus, den man gerne der Wissenschaft zuschiebt, zu einer weit verbreiteten Bauform in unserer Gesellschaft geworden ist? Sitzt jeder in seinem Elfenbeinturm, unterhält sich mit seinesgleichen und handelt wie Pippi Langstrumpf „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“? Wohlgemerkt, ich nehme mich hier prinzipiell nicht aus, aber mir wird mulmig zumute, wenn ich mich frage, wie man in der Einschätzung von Realität zu einem von Mehrheiten getragenen Bild kommen kann. Mindestens aber zu Bildern, die mehr in der Erkenntnis aufeinander bezogen sind als extrem weit auseinander zu liegen. Sind die Entwicklungsparameter unserer Zukunft so voller Widersprüche?

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/provokatives-design-fuer-neue-kunden-19157993.html

Bildquelle: Eigenes Bild