Im Raum des Denkens

Wenn Sie heute zehn Minuten lang geduscht haben, hat das 1,54 Euro gekostet (Verbraucherzentrale NRW). Wenn heute eine Näherin in Bangladesch nach Hause geht, hat sie für 14 Stunden Arbeit 1,83 Euro verdient (Golden Circle Clothing, 2020). Wenn wir in Deutschland wegen eines möglichen Wohlstandsverlust unsere Ängste äußern, sollten wir wissen, was am anderen Ende der Skala passiert. 

Jeder Verbraucher (oder besser Verschwender?!) wirft im Jahr etwa 78 kg Lebensmittel weg (BMEL 2020). Hinzu kommen 225,8 kg Verpackungsabfall (BMUV 2020). Wussten Sie schon, dass zwölf Prozent der hierzulande befragten „VerschwenderInnen“ Kleidung kaufen, die sie nie tragen (Statista 21.11.2023)? In 2012 hat eBay die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die besagt, dass in deutschen Haushalten ungenutzte Gegenstände im Wert von über 80 Milliarden Euro lagern. (Wenn wir das bei eBay verkaufen und den Erlös an das Finanzministerium überweisen, wäre das aktuelle 60 Milliarden-Loch mehr als gestopft!) 

Wir sollten keine Angst vor dem Wohlstandsverlust haben, sondern eher über unser Selbstbild ins Grübeln kommen. Und dabei könnten wir auch über einen Wohlstandsbegriff diskutieren, der die Tabus von egozentrischer Habsucht und besinnungsloser Konsumsucht thematisiert. Dabei muss man allerdings auch erkennen, dass die jetzige Form unseres Wirtschaftssystems genau darauf basiert – nämlich auf einer Werteverschiebung von der Bedürfnisbefriedigung über die Selbstverwirklichung hin zur Selbstzerstörung. Mission Impossible – dort zerstörte sich auch das (Nachrichten-)System nach Anhörung.

Wenn wir über Wirtschaft und Wohlstand reden, über Verschwendung und (Nicht-)Verwendung dann haben wir eigentlich das Design mit am Tisch sitzen. Auch wenn es bisher nicht viel mitgeredet hat, sollte es für sich seine Mitverantwortung für unseren allzu großen ökologischen Fußabdruck und für das Chaos von Komplexität in dieser Welt klären. Bedauerlicherweise gibt es keine kontroverse Debattenkultur im Design und das seichte Geplauder in diversen Podcasts ist kein Ersatz. Auch reicht das Zitieren der Rams-Kriterien oder der Papanek-Kritik nicht aus, um das intellektuelle Vakuum zu schließen. Und dass Design Thinking nicht die Welt zu einer Besseren kreiert, hat sich auch herumgesprochen. Wenn wir jetzt Circular Design oder Cradle-to-cradle feiern, dann passiert das mit einer weit über 20 -jährigen Verspätung. Und dabei ist das nur das Wie im Produkt und nicht das Warum im Prozess der Produktion von Artefakten. Wir sollten uns kritisch hinterfragen, warum alles, was technisch machbar ist, auch gefertigt und auf den Markt und dann in den Müll geworfen wird? Es geht um qualitative Verbesserung und nicht um quantitative Veränderung unserer aller Zukunft. Es geht nicht um Verlust von Wohlstand, sondern um seine Sinnhaftigkeit! 

Wohlstand und Design – alles eine Frage der Dimension des Denkens, der Raum ist da!

Bildquelle: Eigenes Bild