Tür zu? Oder Tür auf?

Sie waren einmal wichtig und Teil des Stadtbildes. Heute sind sie so gut wie verschwunden und die wenigen, die es noch gibt, verrotten langsam. Die Rede ist von Telefonzellen, die inzwischen ihr Zuhause auf dem Heldenfriedhof der Geschichte gefunden haben. Natürlich ist die Idee des Telefonierens nicht tot, aber die Funktion findet auf einer neuen Entwicklungsstufe statt. So wie technologische Innovationen eines Tages ausgedient haben und verschwinden, so finden Ablöseprozesse auch in der Wirtschaft statt. Und natürlich ist der jeweilige State of the Art nur vorübergehend gültig, bis eben etwas Besseres kommt. So könnte es auch der Marke ergehen. Schaut man sich einerseits die Debatte um Preiserhöhungen und andererseits die „Dirty Tricks“ wie Shrinkflation, Skimpflation und Greenwashing an, scheint Gefahr im Verzug. Wird der Vertrauensvorschuss gerade abgeschmolzen? Steht das Markenkonstrukt zur Disposition, weil der Kunde meint, dass man ihm etwas vorgaukelt? Oder glauben Sie noch an Claudia Bertani und ihre Piemont-Kirschen? Oder etwa den Autos in der Werbung, die zügig und absolut einsam auf der Straße fahren? Und dabei grenzenlose Freiheit suggerieren? 

Zur Kunst des Vorgaukelns braucht es immer zwei – den Gaukler und sein Publikum. Was hat die heile Welt der Werbung mit der deutschen Sehnsucht nach der Groko (SPD plus CDU) zu tun (siehe Handelsblatt 17.11.2023)? Sind wir nur noch das Publikum in wert-retrospektiven Zeiten? Wir wollen unsere blasse Erinnerung an die Vergangenheit verklären und zum Leitbild für die Zukunft werden lassen! Das ist nicht nur irreal, sondern steht auch allen Bemühungen um die Entwicklung einer neuen Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft im Weg. Fehlt nur noch das Wahlplakat „Keine Experimente!“. Dabei braucht diese Republik keine alten, heldenhaften Erfolgsstorys, sondern neue Geschichten aus der Zukunft, die uns alle ermutigen und vorantreiben. Die das Bild einer Gesellschaft entwerfen, die auf den Grundwerten ihrer Demokratie vertraut und deren wettbewerbsfähige Wirtschaft auf Transformation beruht – frischen Wind braucht das Land. Wir sollten die Türen für neue Ideen öffnen und nicht verschließen. Angst ist kein guter Ratgeber …

Früher war alles besser – das Narrativ der Narren. Wir denken zu linear und erwarten eine Progression, die sich qualitativ an der vergangenen Entwicklung orientiert und diese fortsetzt. Offenbar fehlt in unserem Mindset das alternative Denken, dass es auch anders geht. Wenn bei einer Bevölkerung von 84 Mio. in Deutschland sich 48 Mio. Autos (Statista 14.9.2023) auf der Straße befinden, dann muss man erkennen, dass die „Grenzen des Wachstums“ nun klar überschritten sind. Gleiches gilt für die 870 000 Marken, die 2021 eingetragen waren. Die Macht der Marke sollte die Werte des Wohlstands neu definieren! Tür auf!

Bildquelle: Eigenes Bild