Achtung! Neue Spielregeln für Expertise

Wir lieben diese zackigen, knackigen Schlagworte wie zum Beispiel „Game Changer“ – aber nur, wenn sie uns nicht persönlich betreffen. Sehr oft werden solche Worte von Menschen wie Schlachtrufe genutzt, wenn es um die Entwicklung neuer Märkte oder um die Veränderung von Unternehmen und ihrer Kultur geht.

Ein Begriff wie Game Changer meint eine Innovation, die alte Regeln bricht und neue aufstellt. Zu beobachten ist aber, dass die (lauten) Rufer gerne in der Rolle des Zuschauers bleiben. Was aber, wenn sie selbst plötzlich nicht mehr passiv Beteiligte, sondern direkt Betroffene sind und sich sehr schnell mit bisher unbekannten Spielregeln auseinandersetzen müssen? Und wenn das eigene (professionelle) Überleben von dem Anpassen an die veränderte Umwelt abhängig ist?

Corona & Putin – wohl kaum etwas hat in den letzten Jahren so tiefgreifend und nachhaltig unsere Gesellschaft verändert. Als erste bekamen dies Politik und Verwaltung zu spüren, dicht gefolgt von Wirtschaft und Wissenschaft. Die unmittelbaren Folgen zeigen sich z.B. in Problemen der Wertschöpfungsketten und in den Preisen für Energie. Mittelbar ist die Arbeitswelt betroffen, aber auch Produktion und Logistik verändern sich. Ebenso werden wir mit anderen Kostenstrukturen zu rechnen und wirtschaften haben.

Mehr denn je werden Transformationsprozesse auf erbitterte Widerstände treffen. Innovatoren kollidieren mit Restauratoren, Gestalter mit Bewahrern – jede Idee einer Veränderung spürt sofort den Gegenwind! Erahnen lassen sich systemische Verwerfungen, in deren Folge sich so manche Institution, aber auch manche Profession wird neu erfinden müssen. Je eher die Diskussion darüber beginnt, umso besser!

In Designpraxis und Designwissenschaft werden die anstehenden Transformationsprozesse radikale Umbrüche bereit halten. Es spricht viel dafür, dass die Zeit der übersättigten Märkte mit ihrem Überfluss an Differenzierung schnell vorbei ist, weil das Geld hierfür knapp wird. Andererseits werden die Produktlebenszyklen länger. Damit einher geht ein Rückgang an entsprechenden Jobs.

Die Design-Hochschulen werden sich auf einen noch härteren Wettbewerb um Studierende einzustellen haben. Daher wird es für Fakultäten wichtiger, ihre Expertise zu profilieren. Die Erfolge der Studierenden mit Designauszeichnungen werden nicht mehr reichen. Klar erkennbar sollte die wissenschaftlich-künstlerische Kompetenz sein – für welchen Anspruch steht das Studium? Es braucht das Ende einer programmatischen Unverbindlichkeit und den Beginn einer Fokussierung auf gesellschaftliche Relevanz.

Ach ja, von dem Einfluss des Klimawandels auf das Design will ich hier gar nicht reden …

Link: https://www.youtube.com/watch?v=AAf2q8NO240

Bildquelle: digitalSTOCK